"I fucked up bigger shows than yours" - Live mischen mit "Mac"

Heute wollen wir euch Lars „Mac“ Hoese vorstellen, der seit zwei Dekaden für diverse Bands hinter dem Mischpult steht und regelmäßig auf dem weltgrößten Heavy-Metal-Festival Wacken Open Air in der schleswig-holsteinischen Provinz die Regler auf Anschlag dreht. Aber auch kleinere Clubshows fährt der Norddeutsche mit einer Ruhe, die vielen seiner Bands in Notsituationen den Rücken stärkt.

Moin Mac, du bist für deine Bands sowohl in den letzten versifften Kellerkneipen wie auch auf familiären Festivals wie dem Headbangers Open Air derjenige, auf den man sich im Notfall verlassen muss. Auch das gigantische Wacken Open Air, das mittlerweile um die 100 Bands auf – lass mich lügen – 7 (?) Bühnen innerhalb von 4 Tagen durchpeitscht, steht bei dir mittlerweile jährlich mit diversen Bands auf dem Plan. Wen hast du dieses Jahr in Wacken gemischt?

Moin! Ungefähr passt die Beschreibung, ja. (lacht) In Wacken hatte ich es dieses Jahr mit einer „meiner“ festen Bands zu tun. Ich war am Mittwoch und Donnerstag mit Vogelfrey auf der Wackinger-Bühne. Dann haben Skiltron angefragt und dann waren da noch zwei weitere Bands; noch einmal im Zelt und einmal eine der Hauptbühnen.

Wie sieht es in Wacken hinter der Bühne aus? Ich wette, dass der Stressfaktor höher ist als in der Eckkneipe, die sich um Zeitpläne einen feuchten Kehricht schert?

Der Zeitfaktor ist auf großen Festivals definitiv entscheidend, da zählt jede Minute. Die Stagemanager machen sonst auch ganz einfach kurzen Prozess mit deiner Band. Von einer eindeutigen „letzter Song“-Ansage bis zum Abschalten des Stroms ist der Weg dort nicht weit. Ich kenne hier aber auch die andere Seite, da ich selber als Stagemanager u.a. beim Headbangers Open Air und beim Heathenrock Festival tätig bin. Ohne korrekten Ablauf würde solch ein Festival wohl erst zwei Tage zu spät enden.
Man kann den Stress schon etwas selbst minimieren. Hier hilft eigentlich immer eine gute Vorbereitung. Viele große Festivals stellen ein breit gefächertes Angebot hochqualitativer Backline (dazu zählen Verstärker, Lautsprecher und Schlagzeug - Anm. d. Audioforums) zur Verfügung, die einem die lokalen Backline-Firmen gern vorbereiten, wenn man das im Vorwege bespricht. Dazu gehört dann auch die Kommunikation mit den bandeigenen oder festivaleigenen Technikern und ebenso, auch mal einen Song zum Streichen vorher abgesprochen zu haben, falls unvorhergesehene Fälle wie technische Störungen oder ähnliches die Show durcheinanderbringen. Im Grunde muss man einfach professionell sein.
Persönlich ist es für mich selbst nach über zwanzig Jahren immer noch ein wenig aufregend. Je größer die Show, desto höher das „Lampenfieber“, wenn du es so nennen willst. Am schlimmsten ist die Zeit zwischen Linecheck (so nennt man den Soundcheck, der bei Festivals und Konzerten zwischen den Bands abläuft. Im Gegensatz zum eigentlichen Soundcheck, der vonstatten geht, während Festivalgelände oder Konzerthalle für Besucher noch gesperrt sind. – Anm. d. Audioforums) und Set. Mit den ersten Tönen ist dann aber wieder alles in Butter, wenn man merkt, dass ja wirklich alles läuft. Und während des ersten Songs hast du im Normalfall als Techniker sowieso alle Hände voll zu tun.

Öfters sieht man dich mit einem „I fucked up bigger shows than yours”-T-Shirt entspannt hinter dem Pult die Regler schieben. Woher nimmst du die Gelassenheit, bei solch einer Verantwortung das Richtige zu tun? Immerhin steht und fällt mit deinem Fingerspitzengefühl das Vergnügen diverser Tausend zum Teil alkoholisierter und bisweilen gefährlich aussehender Rockfans. Gab es schon Situationen, in denen du das Publikum gegen dich aufgebracht hast?

Zumindest nicht wissentlich. Klar kann man mal einen miesen Tag haben. Das geht Technikern nicht anders als Musikern. Und ein guter Gig ist von vielen Faktoren abhängig. Bist du mit einer Band unterwegs, weißt du nie, was dir an Locations und Technik unter die Finger kommt, Bühnenanweisung hin oder her. Meistens kann man irgendeinen Kompromiss finden und halbwegs sauber arbeiten, aber vor Totalausfällen ist man nicht gefeit. Wenn die technische Seite stimmt, kannst du dich selber immer noch vergreifen, nicht aufmerksam sein oder etwas überhören. Manchmal ist das Mischpult an einem miesen Platz im Raum, wo es total anders klingt als dort, wo der Hauptteil des Publikums steht. Man versucht natürlich immer sein Bestes zu geben und Panik ist das, was am wenigsten angebracht ist. Selbst wenn etwas schief geht, sollte man Luft holen und versuchen, in Ruhe Abhilfe zu schaffen. Gerade im Rock- und Metalbereich ist das Publikum meist recht gelassen, so gefährlich es auch aussehen mag. Man bekommt auch ab und an mal aus dem Publikum einen Tipp und je nach Alkoholgehalt und Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers hört man dann auch zwei Mal dorthin, wo man gerade mit der Nase drauf gestoßen wurde. Für mich persönlich gehört immer auch dazu, am Pult nicht unter Einfluss von Alkohol oder anderen Mittelchen zu stehen.

Ganz ehrlich: was war denn die größte Show, die du jemals ruiniert hast und wie hast du das angestellt?

Schwer zu sagen. Gerade die großen Gigs laufen meistens glatt; einfach aufgrund der professionell gehaltenen Gegebenheiten, sprich Technik und Crew. Abgesehen von einigen Abenden, wo ich mit der eigenen Arbeit nicht zufrieden war, habe ich zumindest meiner Erinnerung nach keine große Live-Show wirklich zerlegt. Es gibt allerdings kleinere Episoden wie direkt nach dem Soundcheck aus Versehen ausgefallene Mischpulte. (räuspert sich und grinst verlegen) Sprich: Ich habe nach dem Soundcheck am Mischpult gefummelt und den Stecker erwischt. Das Pult hatte den letzten Zustand natürlich nicht gespeichert und alle Einstellungen waren futsch.
Das Shirt ist eher ein Spaß, wie so viele unter altgedienten Technikern und sorgt immer wieder für den einen oder anderen Lacher.

Worauf legst du beim Mischen besonderen Wert? Bei Bands, die du lange kennst und deren Studiowerke dir bekannt sind: was ist dir bei denen besonders wichtig? Ist es überhaupt möglich, live einen Sound wie auf Platte hinzubekommen – und umgekehrt?

Ich versuche primär, den Sound so transparent wie möglich zu halten und wenn ich von vorn für‘s Monitoring verantwortlich bin, gleichzeitig die einzelnen Musiker maximal gut mit dem zu versorgen, was sie an ihrer Spielposition benötigen. (Was viele nicht wissen: Die Musiker haben eigene Lautsprecher und bekommen auf der Bühne einen völlig anderen Mix als das Publikum. – Anm. d. Audioforums) Das ist relativ einfach, wenn man Einzelshows spielt, wo genügend Zeit für Soundchecks zur Verfügung steht, aber in Festivalsituationen gehört der erste Song nun mal dem Tonmann.
Wenn das steht, gehe ich näher auf die vorher besprochenen Wünsche der Band oder meine Vorstellungen des Sounds ein und laufe auch gern mal aus dem Pult, um verschiedene Positionen der Location abzuhören, soweit dies möglich ist. Ein bisschen gehört dazu auch immer eigener Geschmack.
Wenn ich das Material kenne, versuche ich oft, Dinge wie Positionen im Mix und zumindest die im Livebereich doch erheblich weniger umfangreich angesiedelten Effekte wie Hall und Echo zu reproduzieren. Und gerade im Metal ist man doch sehr oft dabei, dynamische Sounds mal zu schieben oder zurückzunehmen, wenn sie untergehen oder zu aufdringlich werden. Ein guter Livemix ist genau das – lebendig.
Da im Studio a) viel mehr Möglichkeiten und b) viel mehr Zeit zur Verfügung stehen, kann man den Sound meines Erachtens nicht exakt reproduzieren. Man kann sich allerdings gerade mit den heutigen technischen Möglichkeiten und etwas Mühe gut annähern. Allerdings erwarte ich persönlich live auch keinen Studiosound – wenn ich mir eine Band ansehen möchte, erwarte ich eher einen halbwegs transparenten Sound und Arsch treten darf‘s auch gern. Das muss nicht wie auf Platte klingen. Ich finde die Dynamik im Livesound gerade interessant. Dazu kommt, dass viele heutige Aufnahmen (gerade im Bereich der Populärmusik) ziemlich steril und gleich klingen und dazu totkomprimiert werden – alles Aspekte, die ich persönlich nicht mag und beim Mischen immer versuche zu vermeiden.

Mischst du lieber Großveranstaltungen oder kleine Clubkonzerte? Worin besteht für dich und deine Arbeit der Unterschied?

Ich mag ehrlich gesagt beides. Auf der einen Seite darf man mit echt großen und teuren Sachen spielen und die Herausforderung liegt darin, es nicht mit der Lautstärke oder bestimmten Frequenzbereichen zu übertreiben. Wobei die Nervosität gern mal mit der Anzahl des Publikums steigt. Man will ja doch sauber abliefern.
Auf der anderen Seite mag ich auch die Herausforderung, mit kleinem Material den Job zur Zufriedenheit der Musiker und des Publikums hinzubekommen. Hier gefällt mir persönlich auch sehr der Aspekt der Nähe zu den Musikern und den Leuten. Im Club passiert‘s halt auch oft mal, dass Freunde oder befreundete Musiker und Techniker im Publikum stehen und man das auch registriert und wirklich spürt, den Abend mit coolen Leuten zu verbringen. Bei der Großveranstaltung geht das doch ziemlich unter.

Hörst du überhaupt Alben von Bands, die du regelmäßig mischst? Es gibt diverse Künstler, die ich furchtbar gern live sehe, aber deren Alben ich im Leben nicht kaufen würde, weil sie mich live einfach total umhauen und ich diese Energie aber auf deren Aufnahmen nicht höre. Kennst du das Gefühl? Falls ja: was machen diese Bands deiner Meinung nach falsch im Studio?

Ich höre eigentlich alle Bands, die ich regelmäßig betreuen darf, auch privat. Man bekommt glücklicherweise vieles von „seinen“ Bands zur Verfügung gestellt, daher fällt der Kauffaktor zumindest zum Teil weg. Ich weiß aber zu gut, was du meinst. Gerade in den extremeren Metal-Bereichen kommt der Faktor Energie bei einer Liveshow meiner Meinung nach sehr zum Tragen. Wenn die Band sich dann nicht durch musikalische Besonderheiten oder genreuntypische Merkmale abhebt, wird‘s von Platte gerne mal etwas gleich oder einheitlich.
Was die Bands im Studio falsch machen, ist schwer zu sagen. Jede Band hat natürlich ihre eigenen Vorstellungen von ihrem Sound, der Produzent kommt beratend hinzu… Was meiner Meinung nach immer noch tödlich ist, sind die Nachwirkungen der Loudness Wars. Kurz gesagt: Jede Platte muss lauter sein als die anderer Bands, was nur durch extreme Kompression zu erreichen ist, wobei wiederum die Dynamik einer Scheibe komplett flöten geht. Zum Glück ebbt der Scheiß etwas ab.
Manchmal spielt die Band auch live einen Zacken schneller, es ist live immer mehr Druck, mehr laut und mehr Live-Feeling durch die Aktivität um dich herum - Faktoren, die du im Studio einfach nicht rüberbringen kannst. Meiner Meinung nach kann man das höchstens zum Teil den Bands/Produzenten anlasten.

Wenn du nicht gerade hinter dem Pult stehst, trifft man dich meistens in Boulderhallen oder an spanischen Felswänden. Nimmst du zum Klettern oder Reisen Musik mit? Was und wie hörst du in solchen Situationen?

Mist, da kennt mich jemand zu lange. (lacht) Also, beim Bouldern möchte ich lieber die volle Aufmerksamkeit auf meinem Umfeld haben, damit ich nicht aus Versehen jemandem ins Genick falle oder ähnliches.
Beim Klettern draußen ist mir das Naturerlebnis zu wichtig, um mir die Ohren zuzudröhnen, und mein Kletterpartner möchte glaube ich auch, dass ich seine Seilkommandos höre – fällt also auch flach. Beim Reisen ist eigentlich immer Musik dabei, sei es um die Reise selbst im Flugzeug oder der Bahn interessanter zu gestalten oder um einfach auch mal abends gepflegt abzuschalten und mal für eine kurze Zeit den Tag Revue passieren zu lassen.
Ich bin da sogar entgegen vieler Erwartungen recht breit aufgestellt, auf meinem Player für unterwegs findet sich von einigen klassischen Werken über Son Cubano, leichter elektronischer Unterhaltung bis hin zu fast allen Spielbereichen des Rock und Metal von allem etwas.

Vinyl, CD, oder Musikstream: wie gehört Musik für deine Begriffe verpackt?

Am liebsten Vinyl. Da wird die Dynamik nicht kaputtdigitalisiert und man hat noch etwas in der Hand. Neudeutsch würde man sagen, dass „Look and Feel“ stimmen.
Nach der Vinyl kommt die CD als das Medium für überall, mit noch erträglicher Qualität. Ich bin absolut kein Freund von Streams. Erstens leidet die Musikqualität durch Digitalisierung und Kompression beträchtlich und zweitens sehen die Bands zumindest auf den einschlägigen Plattformen nichts davon (ja, ok, Bruchteile von Cents). Alle, die an der Musik mit dranhängen, sehen von dem Geld nichts. Die Bands nicht, die Übungsräume nicht, die Techniker nicht, die Clubs nicht, weil sich die Bands teilweise nicht mehr leisten können zu touren, wodurch weitere Einnahmen wegfallen… ein Teufelskreis, den ich nicht unterstützen möchte.

Was ist für dich die beste Art, Musik privat zu hören, um möglichst nah an das Livegefühl heranzukommen?

Da bin ich zwiegespalten. Wenn die Nachbarn nicht da sind, mag ich das Gefühl von Lautheit und Druck und lüfte die Pappen meiner Boxen mal ein wenig.
Auf der anderen Seite mische ich auch immer mal wieder situationsbedingt über Kopfhörer bzw. professionelle InEars. Wenn die Außendämpfung von den Dingern zuschlägt und die Musik dann noch direkt im Kopf erzeugt wird, bringt mir das dadurch mein „persönliches“ Livegefühl, gerade durch die Erfahrung, genau dieses Gefühl vor der Bühne zwischen tausenden von Leuten gewöhnt zu sein. Das kann einem im Alltag schon mal ganz gut eine kurze Auszeit verschaffen.

Um harte Musik so wie Mac zu hören, empfehlen wir euch die aufgelisteten Kopfhörer und HiFi-Komponenten. Treue Leser werden feststellen, dass wir größtenteils dasselbe im Interview mit dem Studio-Toningenieur Jörg Uken empfohlen haben. Marantz und DALI sind einfach unschlagbar, was Bühnenbreite und Live-Sound angeht. Da gibt es gar keine Diskussion.